Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte heute unter dem Vorsitz von Herbert Anderer einen 62 Jahre alten sri-lankischen Staatsangehörigen wegen mitglied-schaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE), in 20 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Im Wesentlichen konnte der Senat nach vier Verhandlungstagen folgenden Sachverhalt feststellen: Die LTTE waren eine im Jahr 1976
gegründete, sri-lankische Gruppierung, die bis zu ihrer Zerschlagung im Jahr 2009 mit Mitteln des bewaffneten Kampfes die
Loslö-sung des mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nord- und Ostteils der Insel Sri-Lanka vom singhalesisch geprägten Reststaat
erreichen wollte. Bis 1986 gelang es den LTTE, neben der Halbinsel Jaffna weite Teile der Nord- und Ostprovinzen des Landes unter ihre
Kon-trolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Sie un-terhielten eine „Black
Tigers“ genannte Spezialeinheit, deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschlage auf zivile Ziele waren. Ihren
weit über 100 Selbst-mordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei Madras der indische Premier-minister Rajiv Ghandi und am
1. Mai 1993 in Colombo der sri-lankische Staatspräsident Ranasinghe Premadasa zum Opfer.
Zur finanziellen Abschöpfung und zur ideologischen Schulung und Kontrolle der Tamilen im Bundesgebiet unterhielt die Organisation eine
Auslandsfiliale in Oberhausen, der weite-re, regional tätige LTTE-Mitglieder unterstellt waren. Der Angeklagte war seit Mitte der
1990er-Jahre bis zum Jahr 2009 sogenannter Bezirksverantwortlicher für den „Bezirk Süd“, der ganz
Baden-Württemberg und große Teile Bayerns umfasste. Als Bezirksver-antwortlicher war der Angeklagte ungefähr 60 weiteren
LTTE-Mitgliedern und Unterstüt-zern vorgesetzt und hatte sich in den Diasporagemeinden um die Pflege der tamilischen Kultur, die
Rekrutierung weiterer LTTE-Mitglieder und insbesondere um die Erhebung von Spenden zu kümmern, die sodann größtenteils nach
Sri Lanka transferiert wurden und dort für den Kampf der LTTE gegen die Regierung zur Verfügung standen. In der Zeit von Juli
2007 bis Mai 2009 wurden unter der Verantwortung des Angeklagten bei den Tamilen im Bezirk Süd insgesamt mehr als 548.000 EUR
erhoben.
Im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte der Senat die hochrangige Stellung des Angeklagten innerhalb der Organisation und die
hohe Gesamtsumme der gesammelten Gelder. Andererseits wirkte sich zugunsten des Angeklagten aus, dass er seine Taten ein-räumte und
bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war. Maßgeblich war zu-dem, dass die Taten mittlerweile mehr als zehn Jahre
zurückliegen.
Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart
Rechtsmittelverzicht erklärten.
Aktenzeichen
5 - 32 OJs 68/17 – Oberlandesgericht Stuttgart
32 OJs 68/17 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart
Relevante Normen (Auszug):
§ 129a Abs. 1 und Abs. 5 StGB – Bildung terroristischer Vereinigungen:
(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Ver-brechen gegen
die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des
Völkerstrafgesetzbuches) oder
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren
bestraft.
…
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absät-ze 1 und 2 mit
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Frei-heitsstrafe bis zu fünf Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft. …
§ 129b Abs. 1 StGB – Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland:
Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes
ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den
Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt.
Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die
sich auf eine bestimmte Vereini-gung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob
die Be-strebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das
friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Um-stände als verwerflich erscheinen.