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Hauptverfahren gegen Versandhändler von Punkartikeln mit nationalsozialistischen Symbolen (u.a. "Hakenkreuz in Halteverbotszeichen") eröffnet

Datum: 22.05.2006

Kurzbeschreibung: 

Dem Angeklagten, der in Winnenden unter dem Namen „Nix-Gut“ einen Online-Shop betreibt, wird das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, 86 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen. Gegenstand der Anklage vom 22. März 2006 ist der kommerzielle Vertrieb von insgesamt etwa 100 verschiedenen Warensortimenten, vor allem T-Shirts, Fahnen, Plakate, Aufnäher, Aufkleber, Buttons, Blöcke und Schlüsselanhänger mit Hakenkreuzsymbolen, sowie die Kataloge und Flyer der Firma des Angeklagten.

Mit Beschluss vom 24. April 2006 hat das Landgericht Stuttgart - 18. Strafkammer - das Hauptverfahren (vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Waiblingen) nur insoweit eröffnet, als dem Angeklagten der Vertrieb von 6 Warensortimenten bzw. Katalogen vorgeworfen wurde. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart (1 Ws 120/06) hat ausgeführt, dass § 86 a StGB das Verwenden und Verbreiten von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen unabhängig davon verbiete, ob der Täter dem Symbolgehalt des Kennzeichens zustimme oder nicht.

Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach diene § 86 a StGB nicht nur der Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen. § 86 a StGB wolle auch verhindern, dass die Verwendung solcher Kennzeichen - ungeachtet der damit verbundenen Absichten - sich wieder derart einbürgern, dass das gesetzgeberische Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht werde. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Rechtsprechung in einer Entscheidung vom 23. März 2006 (1 BvR 204/03) als verfassungsgemäß bezeichnet.

Nationalsozialistische Symbole wie Hakenkreuze oder die Parole „Sieg Heil!“ oder das Parteiabzeichen der NSDAP oder Hitlerbilder dürften danach auch dann nicht öffentlich verwendet oder gar - wie im vorliegenden Fall - gewerbsmäßig verbreitet werden, wenn sie - wie hier - wegen ihrer Darstellung in der Form eines „Halteverbotszeichens“ oder von einem Stiefel, einem Stern oder einer Faust verformt oder von einem Keil zerteilt in eindeutig ablehnender oder missverständlicher Weise dargestellt werden.

Eine Ausnahme gelte nach der so genannten Sozialadäquanzklausel der §§ 86 a Abs. 3, 86 Abs. 3 StGB, wenn die Verwendung dieser Kennzeichen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken diene, oder wenn die Verwendung solcher Kennzeichen dem Schutzzweck der Vorschrift, welche das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG einschränkt, ersichtlich nicht zuwiderlaufe. Dies wurde zum Beispiel angenommen bei einer einmaligen, kurzen, nicht nachhaltigen Verwendung als Protestreaktion, wenn es dabei gleichzeitig eindeutig gegen den Symbolgehalt des Kennzeichens gerichtet eingesetzt wurde.

Ein solcher Ausnahmefall liege hier ersichtlich nicht vor, zumal es dem Angeklagten um den gewerbsmäßigen massenhaften Vertrieb dieser Waren zur Gewinnerzielung gehe.

Der Strafsenat hat - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - das Verfahren vor der großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart eröffnet, weil es sich um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG handele. Diese besondere Bedeutung ergebt sich zum einen aus dem großen Interesse der Medien und der Öffentlichkeit an diesem Fall, der landes- und bundesweit Beachtung gefunden habe. Zum anderen bestehe wegen der Vielzahl unterschiedlich ergangener Gerichtsentscheidungen zu den von der Anklage erfassten Gegenständen ein Bedürfnis nach rascher Klärung durch den BGH.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Mai 2006 - 1 Ws 120/06

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