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Zum Umfang der Berichtspflicht eines Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung
Datum: 15.03.2006
Kurzbeschreibung:
Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart (20 U 25/05) hat in einem heute verkündeten Urteil den von der Hauptversammlung der RTV Family Entertainment AG am 20.05.2005 gefassten Beschluss, durch welchen dem Aufsichtsrat Entlastung erteilt wurde, für nichtig erklärt.
Dies wurde damit begründet, dass sich der Bericht des Aufsichtsrats angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der RTV AG im Geschäftsjahr 2004 nicht auf einen Satz beschränken durfte, in dem neben der Mitteilung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen lediglich formelhaft mitgeteilt worden sei, dass sich der Aufsichtsrat „regelmäßig anhand schriftlicher und mündlicher Berichte des Vorstands eingehend über die Unternehmensstrategie, den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens sowie über wesentliche Programm-Investitionen informierte“.
Der Senat dazu: „Eine sachgerechte Entscheidung der Anteilseigner in der Hauptversammlung über die Entlastung setzt die Information über die konkrete Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats im maßgeblichen Geschäftsjahr voraus. Nur eine aussagekräftige individuelle Darlegung der während des Berichtsjahres erfolgten Überwachungstätigkeit verschafft der Hauptversammlung einen Einblick in die Arbeit des von ihr gewählten Aufsichtsrats“.
Die Intensivierung der Überwachungspflicht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten führe zu einer damit korrespondierenden Intensivierung der Berichtspflicht. Der Aufsichtsrat habe zumindest bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft über alle außergewöhnlichen oder problematischen Vorkommnisse eingehend zu berichten. Gegenstand der Berichterstattung müssten dann insbesondere außergewöhnliche Prüfungsmaßnahmen wie Anforderungsberichte nach § 90 Abs. 3 AktG, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände nach § 111 Abs. 2 S. 1 AktG, die Beauftragung besonderer Sachverständiger für bestimmte Aufgaben nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG sowie Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 AktG bis hin zur Bestellung oder Abberufung der Mitglieder des Vorstands, oder aber eine Darlegung der Gründe für die bewusste Nichtausübung solcher gesetzlichen Befugnisse des Aufsichtsrats sein.
Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens oder risikoträchtigen, wegweisenden Entscheidungen müssten dem Bericht die Schwerpunkte und zentralen Fragestellungen der Überwachungs- und Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats im maßgeblichen Geschäftsjahr entnommen werden können.
Durch den schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats müsse die Hauptversammlung eine konkrete, am tatsächlichen Überwachungsaufwand gemessene Vorstellung von der Überwachungstätigkeit erlangen, um auf dieser Grundlage über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats entscheiden zu können.
Damit war die Berufung eines Aktionärs gegen ein Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 29.09.2005 (8 O 147/05 KfH 2) erfolgreich.
Der Kläger hatte mit der Anfechtungsklage die Nichtigerklärung des in der Hauptverhandlung der Beklagten gefassten Beschlusses begehrt, durch den der Aufsichtsrat entlastet wurde.
Die Beklagte ist ein im Medienbereich tätiges Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb von Kinder- und Familienserien für Fernsehprogramme sowie der Verwertung von Lizenzrechten des eigenen Programmbestandes befasst. Mehrheitsaktionärin der seit dem 16.04.1999 in der Rechtsform der Aktiengesellschaft geführten Beklagten war bis November 2005 die Ravensburger AG.
Zum Volltext der Entscheidung, Urteil vom 15.03.2006, Aktenzeichen 20 U 25/05.