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Umtauschverhältnis der Aktien zur Fusion Wüstenrot und Württembergische AG bestätigt
Datum: 08.03.2006
Kurzbeschreibung:
Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Vorsitz des Präsidenten des Oberlandesgerichts Eberhard Stilz hat in einem heute verkündeten Beschluss entschieden, dass die Wertrelation der Fusion der Württembergischen Versicherungsgruppe mit der Wüstenrot - Gruppe im Jahr 1999 angemessen war.
Die Hauptversammlungen der beiden Konzerne hatten im Sommer 1999 einem Vertrag beider Unternehmen über die Verschmelzung zu dem einheitlichen Unternehmen unter der Firma Wüstenrot & Württembergische AG zugestimmt. In dem Vertrag war festgesetzt worden, dass die Aktionäre der ehemaligen Württembergische Beteiligungs AG ihre Aktien im Verhältnis 2 : 1 umtauschen können. Dem lag ein Bewertungsgutachten von Wirtschaftsprüfern zugrunde, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass nach Umschichtung verschiedener Beteiligungen beide Unternehmensgruppen einen Ertragswert von jeweils 5.333 Mio. DM hatten.
Die Verschmelzung wurde im September 1999 ins Handelsregister eingetragen, der Börsenhandel mit den Aktien der Wüstenrot & Württembergische AG wurde wenige Tage später aufgenommen.
Einige ehemalige Aktionäre der Württembergische Beteiligungs AG hatten beim Landgericht Stuttgart ein Spruchverfahren eingeleitet, um eine bare Zuzahlung zu ihren umgetauschten Aktien zu erhalten. Das Umwandlungsgesetz sieht eine Zuzahlung vor, wenn das Umtauschverhältnis zu niedrig bemessen ist.
Das Landgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 08. Februar 2005 eine Zuzahlung von 5,41 € pro Aktie festgesetzt. Die Kammer des Landgerichts war der Ansicht, dass bei der Relation der Unternehmenswerte, die Grundlage des Umtauschverhältnisses ist, zugunsten der Württembergischen-Gruppe deren Börsenkapitalisierung zu berücksichtigen sei, die über dem gutachterlich ermittelten Ertragswert liege.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat jetzt der Beschwerde der Württembergischen & Wüstenrot AG stattgegeben und den Beschluss des Landgerichts aufgehoben. Der Senat hat zugleich die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen, die eine noch höhere Zuzahlung begehrt haben.
Die nach der so genannten „Ertragswertmethode“ vorgenommenen Bewertungen in dem Bewertungsgutachten der Gesellschaften sind nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden. Nach der allgemein anerkannten „Ertragswertmethode“ wird der Unternehmenswert durch die Diskontierung der künftig den Unternehmenseignern, hier also den Aktionären, zufließenden finanziellen Überschüsse ermittelt. Diese Zukunftserträge werden auf der Grundlage der Ergebnisse der früheren Jahre und der internen Planung des Unternehmens prognostiziert. Dieser Prognose kommt eine hohe Bedeutung für die Unternehmensbewertung zu; sie ist deshalb in vielen Bewertungsverfahren besonders umstritten.
Der heute entschiedene Fall zeichnet sich nach Ansicht des Senats durch die Besonderheit aus, dass es sich um eine Verschmelzung zweier zuvor voneinander unabhängiger Konzerne handelt, die Ergebnis einer freien Verhandlung und Vereinbarung durch die jeweiligen Vorstände war und in der jeweiligen Hauptversammlung eine Billigung durch die Aktionäre mit einer Mehrheit von weit über 90 % gefunden hat. Derartige Vertragsverhandlungen sind naturgemäß davon geprägt, dass die Interessen aller Aktionäre einer jeden Seite auf ein möglichst günstiges Umtauschverhältnis gerichtet sind. Klein- und Großaktionäre eines Unternehmens sitzen deswegen aufgrund ihrer gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen „in einem Boot“.
Damit unterscheidet sich nach Auffassung des Senats eine solche Verschmelzung unabhängiger Gesellschaften wesentlich von regelmäßig auftretenden Fallgestaltungen in anderen Spruchverfahren, in denen es etwa um Abfindungen für Minderheitsaktionäre geht, die aus Eigeninteresse eines Großaktionärs im Wege des „Squeeze-Out“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In solchen Verfahren ist es die Funktion des Spruchverfahrens, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Aktionären einer Gesellschaft herzustellen.
Demgegenüber besteht bei einem vertragsautonom ausgehandelten und von der Aktionärsmehrheit gebilligten Verschmelzungsvertrag eine höhere Gewähr dafür, dass die Vorstände die wirtschaftlichen Interesse der Anteilseigner ihres jeweiligen Unternehmens hinreichend berücksichtigt und durchgesetzt haben. Deshalb ist in solchen Fällen die gerichtliche Prüfung des Umtauschverhältnisses eingeschränkt. Sie hat sich darauf zu konzentrieren, ob bei der Unternehmensbewertung rechtliche Bestimmungen eingehalten und Tatsachen richtig zugrunde gelegt worden sind.
Dagegen ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Unternehmensbewertung eigene Wertungen an die Stelle der Wertentscheidungen der Verhandlungsführer zu setzen, wenn diese unternehmerischen Entscheidungen vertretbar sind. Diese Vertretbarkeit hat der Senat nach eingehender Prüfung der Bewertungsgutachten und des Vortrags der Verfahrensbeteiligten festgestellt.
Auch Überlegungen zur Börsenkurskapitalisierung, also einer von der „Ertragswertberechnung“ abweichenden Methode der Feststellung des Unternehmenswerts, rechtfertigen keine Zuzahlung. Denn der vom Landgericht angesetzte Börsenkurs war zu einem anderen Stichtag als die dazu in Relation gesetzten Ertragswerte ermittelt. Bei einer stichtagsgerechten Ermittlung ergibt sich dagegen kein Börsenwert, der über dem Unternehmenswert aus dem Bewertungsgutachten liegt. Die Heranziehung des Börsenkurses erschien dem Senat außerdem auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht sachgerecht, u.a. weil einer der beiden Verschmelzungspartner, die Wüstenrot Beteiligungs AG, vor der Verschmelzung nicht börsennotiert war, so dass die Börsenkapitalisierung keinen geeigneten Vergleichsmaßstab hergibt.
Zum Volltext der Entscheidung, Beschluss vom 08.03.2006, 20 W 5/05