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6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen Gebietsverant-wortlichen der „PKK“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren

Datum: 15.01.2020

Kurzbeschreibung: 

6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen Gebietsverant-wortlichen der „PKK“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der sog. Kurdischen Arbeiterpartei („PKK“). Der 63-jährige Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben wurde ein Bargeldbetrag in Höhe von 2.010 Euro eingezogen.

Dem Urteil waren 43 Verhandlungstage seit dem 17. April 2019 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 21 Zeugen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und abgehörte Telefongespräche eingeführt. In der Hauptverhandlung waren zudem auch Bekennervideos der PKK zu tödlichen Anschlägen auf Militär- und Sicherheitsorgane der Türkei abgespielt worden.

Nach den Feststellungen des Senats strebt die PKK einen staatsähnlichen „konföderalen“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak mit eigener Staatsbürgerschaft und eigener Armee an. Neben einem politischen Arm verfügt sie zur Durchsetzung ihrer Ziele auch über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die vor allem im Südosten der Türkei Anschläge vorwiegend auf türkische Sicherheitskräfte und Soldaten verüben, bei denen immer wieder auch Zivilisten getötet bzw. verletzt werden. Zweck und Tätigkeit der „PKK“ sind daher u.a. darauf gerichtet, durch Anschläge Mord und Totschlag in der Türkei zu begehen. Auch in Deutschland und weiteren westeuropäischen Staaten hat die „PKK“ unselbstständige Strukturen aufgebaut, die als untrennbarer Bestandteil der Gesamtorganisation und als Rückzugsraum konzipiert sind. Die in Europa hauptamtlich agierenden, weisungsgebundenen Führungskader werden mit der praktischen Umsetzung der von der Parteispitze getroffenen Entscheidungen in den Aufgabenbereichen Geldbeschaffung, indoktrinierende Propaganda und Nachwuchsrekrutierung befasst; durch damit verbundene Betätigungen tragen auch die in Deutschland agierenden „PKK“-Führungskader zur Förderung des bewaffneten Kampfs der Organisation in der Türkei bei. Die seit 1993 in Deutschland verbotene und von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestufte „PKK“ versteht sich als einzig legitimes Sprachrohr und Vertretung sämtlicher Kurden weltweit.

Hinsichtlich des im Juli 2009 erstmals nach Deutschland eingereisten und zuletzt in Bad Wildbad wohnhaften Angeklagten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass dieser von Mitte Juli 2016 bis zu seiner Festnahme am 21. Juni 2018 das PKK-Gebiet Freiburg leitete. Dabei kam er vor allem der Aufgabe nach, in seinem Gebiet die Spendensammlungen zu organisieren, gebietsinterne Veranstaltungen zu initiieren und sich für das Gebiet Freiburg an der Organisation regionsübergreifender PKK-Großveranstaltungen zu beteiligen.Hinsichtlich eines bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 2.010 Euro gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um Finanzmittel der PKK handelt, weswegen deren Einziehung angeordnet wurde.

Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten insbesondere berücksichtigt, dass es sich bei der „PKK“ um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt und dass der Angeklagte über einen Zeitraum von zwei Jahren seine Kadertätigkeit ausübte. Strafmildernd wertete der Senat neben der langen Dauer der Untersuchungshaft mit den gesetzlich vorgegebenen besonders belastenden Haftbedingungen angesichts der nicht unerheblichen gesundheitlichen Einschränkungen vor allem, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und vor seiner Ausreise aus der Türkei persönlich Übergriffen des türkischen Staates ausgesetzt war.

Der Senat ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

 

Aktenzeichen

 6 – 35 OJs 14/16 – Oberlandesgericht Stuttgart

35 OJs 14/16 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart



Relevante Normen (Auszug):

 



Strafgesetzbuch (StGB)


§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen:


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.

Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

 

 

§ 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1)   Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

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