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6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen ehemaligen Angehörigen des irakischen Militärs wegen eines Kriegsverbrechens gegen - bereits getötete - Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 Völkerstrafgesetzbuch zu einer Bewährungsstrafe
Datum: 11.01.2018
Kurzbeschreibung:
Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling in einem Staatsschutzverfahren wegen der Schändung von Leichen getöteter IS-Kämpfer am zehnten Verhandlungstag sein Urteil verkündet.
Der 24-jährige Angeklagte wurde wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 Völkerstrafgesetzbuch in sechs tateinheitlichen Fällen zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des Senats war der Angeklagte, der im Oktober 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam, vor seiner Flucht Mannschaftssoldat in der irakischen Armee. Nachdem die Einheit des Angeklagten im Juli 2015 von Abu Ghuraib in das 250 km nordwestlich von Bagdad gelegene Baidschi verlegt wurde, kam es dort zu einem Angriff durch Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“, der von den Armeekräften zurückgeschlagen werden konnte. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wurden die Köpfe von mindestens sechs getöteten IS-Kämpfern von ihrem jeweiligen Körperrumpf abgetrennt und zum Zwecke der Erstellung sog. Posierfotos in einer Reihe auf der Erde abgelegt. Der Angeklagte kam hinzu und ließ sich breit lächelnd und mit einem mit zwei Fingern der rechten Hand geformten „Victory“-Zeichen vor den Köpfen fotografieren, wodurch er die Verstorbenen, deren Gesichtszüge großteils noch erkennbar waren, in schwerwiegender Weise verhöhnte und erniedrigte und in ihrer auch über den Tod hinaus fortwirkenden Würde und Ehre verletzte.
Unter welchen konkreten Umständen die Verstorbenen ums Leben kamen, wer sie enthauptet hatte und wer ihre Köpfe dort zur Schau stellte, konnte ebenso wenig aufgeklärt und festgestellt werden wie eine mögliche Beteiligung des Angeklagten hieran.
Bei der Strafzumessung hat der Senat zu Gunsten des nicht vorbestraften Angeklagten insbesondere berücksichtigt, dass sich das Kriegsverbrechen des Angeklagten auf bereits getötete gegnerische Kämpfer bezog. Für die Strafaussetzungsentscheidung war neben der positiven Prognose für den Angeklagten auch der Umstand von Bedeutung, dass er sich bereits über sechs Monate unter besonderen Haftbedingungen in Untersuchungshaft befunden hat.
Der in der Anklage noch erhobene Vorwurf einer Bedrohung im November 2016 gegenüber einem Mitbewohner in einer Flüchtlingsunterkunft wurde vom Senat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.
Aktenzeichen:
6 -32 OJs 9/17 – Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 11. Januar 2018
32 OJs 9/17 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart
Relevante Normen:
Völkerstrafgesetzbuch (VStGB):
§ 8 Kriegsverbrechen gegen Personen (Auszug)
Abs. 1: Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt …
Nr. 9. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird … in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
Abs. 6: Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind …
Nr. 3.: im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.
§ 154 Strafprozessordnung:
Abs. 1: Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der
die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer
anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins
Gewicht fällt …
Abs. 2: Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.