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Urteil gegen drei Angeklagte in der Strafsache wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
Datum: 07.08.2009
Kurzbeschreibung:
Der 6. Strafsenat - Staatsschutzsenat- des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Hermann Wieland in einem Verfahren gegen Mitglieder der türkischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) nach 108 Verhandlungstagen ein Urteil verkündet. Prozessbeginn war im März 2008.
Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung wurden die drei Angeklagten, zwei der Angeklagten (Mustafa A. und Ilhan D.) zudem wegen Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen, verurteilt und zwar Mustafa A. zu der Freiheitsstrafe von 5 Jahren, Ilhan D. zu der Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten und Hasan S. zu der Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Nach den Feststellungen des Senats hat sich die DHKP-C zum Ziel gesetzt, den türkischen Staat mittels eines „bewaffneten Kampfes“ zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime unter ihrer Kontrolle zu ersetzen; sie hat zahlreiche Tötungsdelikte sowie eine Vielzahl von Brand- und Sprengstoffanschläge in der Türkei zu verantworten, zu denen sie sich jeweils öffentlich bekannt hat. Außerdem hat die DHKP-C wiederholt ihre Kämpfer für Selbstmordattentate eingesetzt. Sie verfügt in Europa über eine Auslandsorganisation, die sie als ihre „Rückfront“ - neben der Verbreitung der Ideologie der DHKP-C - unter anderem zur Finanzierung der terroristischen Aktivitäten nutzt; in Deutschland ist die DHKP-C seit 1998 verboten. Seit einer Gewaltverzichtserklärung hinsichtlich des Bundesgebietes im Jahre 1999 ist sie durch Gewalttaten im Inland nicht mehr in Erscheinung getreten. Zur DHKP-C gehören in Deutschland ungefähr 650 Personen als Unterstützer und Mitglieder.
Die DHKP-C führt - auch in Deutschland - eine jährliche Spendenkampagne durch, organisiert Veranstaltungen und gibt eine wöchentliche Parteizeitschrift heraus. Außerdem dient die „Rückfront“ der Beschaffung von Waffen und sonstiger militärischer Ausrüstung, die in die Türkei mittels Kurier verbracht werden, sowie als sicherer Rückzugsraum für ihre Mitglieder.
Die Angeklagten waren als hochrangige Führungsfunktionäre der „Rückfront“ der DHKP-C in Europa seit dem 30. August 2002 (seither ist die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in § 129 b Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt) Mitglieder der innerhalb der DHKP-C bestehenden terroristischen Vereinigung in der Türkei. Die Angeklagten waren in die hierarchischen Strukturen der Europaorganisation der DHKP-C eingebunden und haben - in Kenntnis der Zielsetzungen der DHKP-C - als professionelle Kader für die Vereinigung auf Anweisung der Organisationsführung zahlreiche Aufgaben wahrgenommen.
Der 52-jährige ledige Mustafa A., ein türkischer Staatsangehöriger, der sich in der Türkei wegen des Vorwurfs der Zugehörigkeit zur Devrimci Sol, der Vorgängerorganisation der DHKP-C, fast 17 Jahre in Haft befand, betätigte sich seit seiner Ausreise nach Deutschland im Jahre 2000 für die DHKP-C. Sein Asylantrag wurde in Deutschland abgelehnt, es wurde ihm aber Abschiebeschutz gewährt. Seit Juli 2002 war er Leiter der „Region Süd“ der DHKP-C, die den gesamten süddeutschen Raum umfasste, sowie bis Oktober 2002 auch der „Region Mitte“. Im März 2003 wurde er zum „Generalverantwortlichen“ der Regionen „Süd“ und „Nord“, außerdem war er für die Kontrolle Englands zuständig; zeitweise hielt er sich in Amsterdam auf. Diese Funktionen behielt er bis zu seiner Festnahme im November 2006. Er lebte unter verschiedenen Decknamen in wechselnden Wohnungen. Seine Hauptaufgabe bestand in der Beschaffung von Finanzmitteln für die Organisation. Allein im Zeitraum von August 2002 bis Mai 2003 leitete er rund 120.000 € an die Organisation weiter. Zudem beschaffte er 10 Prägesiegel, die zur Fälschung von Ausweisen geeignet waren.
Der 40-jährige ledige Ilhan D., ein nach Einbürgerung deutscher Staatsangehöriger türkischer Herkunft, hat sich bis zu seiner Festnahme im April 2007 durchgängig an der Vorbereitung bzw. Durchführung von Transporten in die Türkei für dort von Kampfeinheiten der DHKP-C benötigte Gegenstände beteiligt. Hierzu war er überwiegend mit dem Erwerb und der Präparierung von Schmuggelfahrzeugen sowie der Einweisung von Kurierfahrern befasst. Darüber hinaus war er auch für die Vorbereitung der Fälschung von Ausweispapieren verantwortlich.
Der 46-jährige Hasan S., türkischer Staatsangehöriger und in Deutschland anerkannter Asylberechtigter, befand sich ebenfalls wegen des Vorwurfs der Zugehörigkeit zur Devrimci Sol in der Türkei über 3 Jahre in Haft. Er flüchtete bereits im Sommer 1988 nach Deutschland. Seit 1997 hatte er Kontakt zur Organisation. Ab Mitte 2002 leitete er das Gebiet Ulm. Hier war er für sämtliche Angelegenheiten zuständig. Im Mai 2004 wechselte er als Gebietsleiter nach Berlin, wo er bis zu seiner Festnahme im November 2006 tätig war. Allein im Zeitraum Februar 2003 bis Juni 2004 beteiligte er sich an der Beschaffung von rund 19.000 € für die Organisation.
Bezüglich Mustafa A. wurde Haftfortdauer angeordnet, die Haftbefehle gegen Ilhan D. und Hasan S. wurden nach Anrechnung deren schon lang andauernder Untersuchungshaft gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Der Vorsitzende wies in einem Vorwort zu Beginn der mündlichen Urteilsbegründung darauf hin, dass dem Urteil eine Verständigung im Strafverfahren zugrunde liege; aufgrund der daraufhin erfolgten Einlassungen der Angeklagten, die Aktivitäten für die DHKP-C in Deutschland eingeräumt haben, konnte das Verfahren gegen die drei Angeklagten heute abgeschlossen werden.
Ursprünglich lief das Verfahren gegen 5 Angeklagte; bezüglich der beiden Angeklagten, mit denen es nicht zu einer Verständigung kam, läuft das Verfahren gesondert weiter.
Aktenzeichen 6- 2 St-E 8/07-b