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Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart im "Gorillamaskenfall" Wiederaufnahmeantrag ist teilweise zulässig
Datum: 23.07.2009
Kurzbeschreibung:
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit Beschluss vom 20. Juli 2009 entschieden, dass ein Wiederaufnahmeantrag eines Verurteilten insoweit zulässig ist, als er sich gegen die Verurteilung wegen Raubüberfällen und Nötigung wehrt.
Die 1. Große Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Stuttgart verurteilte den Beschwerdeführer am 11. Mai 2001 wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen und wegen Nötigung unter Einbeziehung verschiedener Vorverurteilungen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren. Dem lag unter anderem zu Grunde, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Strafkammer in den Jahren 1995 und 1998 dreimal eine Bankfiliale überfallen hatte, wobei er die Bankangestellten mit einer zumindest echt wirkenden Pistole bedrohte und größere Summen Geldes erbeutete. Bei der Ausführung trug er in einem Fall eine Clownmaske, die das Gesicht bedeckte, in den anderen Fällen eine über den ganzen Kopf gezogene Gorillamaske. In einem weiteren Fall wurde er von einem Zeugen gestellt, als er im Begriff war, mit der Gorillamaske einen Banküberfall zu begehen. Dabei konnte er unter Nötigung des Zeugen fliehen. Als der Beschwerdeführer wegen des Verdachts, diese Taten begangen zu haben, im Juli 2000 einem Haftrichter vorgeführt wurde, versuchte er, diesen mit einem Brieföffner zu töten. Deshalb erfolgte die weitere Verurteilung wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Der Beschwerdeführer bestritt stets, Täter der Banküberfälle gewesen zu sein. Die Strafkammer überzeugte sich von seiner Täterschaft aber auf Grund zahlreicher gewichtiger Indizien. Die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts wurde vom Bundesgerichtshof verworfen.
Der Beschwerdeführer beantragt nun die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er beruft sich auf das Gutachten eines Sachverständigen für forensische Anthropologie, das zu dem Ergebnis kommt, bei den Banküberfällen aufgenommene Lichtbilder des Täters zeigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den Beschwerdeführer.
Das Landgericht Ravensburg, das über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Entscheidungen der Großen Strafkammern des Landgerichts Stuttgart zu entscheiden hat, bewertete den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens insgesamt als unzulässig.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart mit Beschluss vom 20. Juli 2009 den Antrag für zulässig erachtet, soweit er sich gegen die Verurteilung wegen der Raubüberfälle und der Nötigung richtet, nicht aber hinsichtlich der Verurteilung wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Zwar hatte auch der Senat gegen die Beweiskraft des vorgelegten Gutachtens in wesentlichen Punkten Bedenken. Nachdem die Verteidigung im Beschwerdeverfahren aber eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters vorgelegt hatte, kam der Senat zu dem Ergebnis, dass das Gutachten ausreichend ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Verurteilung hinsichtlich der Banküberfälle begründet.
Deshalb hat nun das Landgericht Ravensburg durch Anhörung eines anderen, bisher mit der Sache nicht befassten und vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen darüber Beweis zu erheben, ob der Beschwerdeführer durch einen Vergleich mit den bei den Überfällen gefertigten Lichtbildern als Täter auszuschließen ist.
Die vom Beschwerdeführer beantragte Unterbrechung der Strafvollstreckung hat der 2. Strafsenat abgelehnt, da angesichts der Zweifel an dem vorgelegten Gutachten der Wiederaufnahmeantrag keine solche Erfolgsaussicht hat, dass die weitere Strafvollstreckung bedenklich wäre.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Juli 2009 (2 Ws 17/2009)
Strafprozeßordnung
§ 359
Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,
1. - 4. ...
5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,
6. ...
§ 369
(1) Wird der Antrag für zulässig befunden, so beauftragt das Gericht mit der Aufnahme der angetretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, einen Richter.
(2) Dem Ermessen des Gerichts bleibt es überlassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich vernommen werden sollen.
(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen und bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten. § 168c Abs. 3, § 224 Abs. 1 und § 225 gelten entsprechend. Befindet sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so hat er keinen Anspruch auf Anwesenheit, wenn der Termin nicht an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten wird, wo er sich in Haft befindet, und seine Mitwirkung der mit der Beweiserhebung bezweckten Klärung nicht dienlich ist.
(4) Nach Schluß der Beweisaufnahme sind die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung aufzufordern.
§ 370
(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat.
(2) Andernfalls ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.