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Urteil in der Strafsache gegen Thomas K. wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung

Datum: 19.02.2009

Kurzbeschreibung: 

 

Der 5. Strafsenat - Staatsschutzsenat- des Oberlandesgerichts Stuttgart
hat am 19. Februar 2009 den Angeklagten Thomas K. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer gelten 2 Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt.

Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Angeklagte gehörte schon in den 70er Jahren als Mitglied zu den Revolutionären Zellen. Die im Jahr 1973 gegründete terroristische Vereinigung „Revolutionäre Zelle“, die sich ab 1976 „Revolutionäre Zellen“ nannte, sah sich neben der „Rote Armee Fraktion (RAF)“ und der „Bewegung 2. Juni“ als Teil des bewaffneten Kampfes gegen das bestehende System. Sie teilte die Auffassung dieser Gruppen, dass eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse nur durch einen gewaltsamen Umsturz zu erreichen sei und dazu Waffen und Sprengstoff eingesetzt werden müssten und übernahm das Konzept der Stadtguerilla. Als sich die Revolutionären Zellen (RZ) nach einer längeren Phase des Auseinanderdriftens und der teilweisen Abspaltung Mitte der 80er Jahre wieder konsolidierte und neu orientierte, nahm der Angeklagte wesentlichen Einfluss auf die nunmehr in den Mittelpunkt der Strategie gestellte sogenannte „Flüchtlingskampagne“. Nach einem Treffen von etwa 20 bis 22 wichtigen Mitgliedern der RZ im Jahr 1985 in Österreich, das der Angeklagte als so bedeutend angesehen hatte, dass er es als Gipfeltreffen bezeichnete, vertrat er das Konzept der Flüchtlingskampagne politisch aktiv und begleitete es. Im Oktober 1986 beteiligte sich der Angeklagte an der Produktion und dem Vertrieb einer Extraausgabe des „Revolutionären Zorns“, in dem die Gründe für die Flüchtlingskampagne zusammengefasst und die Erklärungen zu den ersten Anschlägen nachgedruckt wurden.

In Verlauf dieser Kampagne kam es zwischen 1986 und 1992 zu knapp 20 Brand- und Sprengstoffanschlägen vor allem auf Ausländerbehörden und Gerichte, aber auch zu zwei Anschlägen auf Personen. Dem Leiter der Ausländerbehörde in Berlin und einem Vorsitzenden Richter am dortigen Verwaltungsgericht wurde gezielt in die Beine geschossen.

Der Angeklagte hat sich nicht an der Vorbereitung oder Durchführung konkreter Anschläge beteiligt. Er hielt es nämlich für möglich, unter polizeilicher Beobachtung zu stehen. Er nahm jedoch als sogenannter Denker mit Redebeiträgen und durch die Herstellung und den Vertrieb von Schriften wesentlichen Einfluss auf die Orientierung und die Willensbildung innerhalb der RZ bis in die neunziger Jahre hinein. Im Herbst 1990 erfuhr der Angeklagte von dem Tod seines Freundes Gerd Albartus, der im Dezember 1987 von Palästinensern erschossen worden sein soll. Er setzte sich damit politisch und persönlich auseinander und verfasste einen mehrseitigen Text, den er den Mitgliedern der RZ zukommen ließ. In diesem Text „Gerd Albartus ist tot“ hatte der Angeklagte für eine Fortführung der damaligen Aktivitäten der RZ plädiert.

Durch einen anonymen Telefonanruf wurde der Angeklagte vor einem bevorstehenden polizeilichen Zugriff gewarnt und ist seit dem 17.12.1987 untergetaucht. Am 04.12.2006 hat er sich selbst gestellt.

Der Senat hat zu Gunsten des Angeklagten vor allem die weit zurückliegende Tatzeit (1985 bis 1992) und seine weitgehende, geständnisgleiche Tateinräumung gewürdigt. Außerdem wurde berücksichtigt, dass er sich selbst gestellt hat, nicht an konkreten Anschlägen mitgewirkt hat und derzeit erkennbar sozial eingegliedert ist.
Zu Ungunsten wurde der beträchtliche Zeitraum der Zugehörigkeit zur terroristischen Vereinigung und die besondere Gefährlichkeit der damaligen Vereinigung nach Zahl und Art der Anschläge und ihrer Betätigung in weiten Teilen des Bundesgebiets gewürdigt.


Ergänzende Hinweise:
Der Strafrahmen beträgt nach § 129a Abs. 1 u. 2 Strafgesetzbuch 1 bis 10 Jahre.

Bewährungsauflage:
Der Angeklagte muss innerhalb der Bewährungszeit jeden Wechsel seines Wohnsitzes dem Oberlandesgericht Stuttgart unverzüglich mitteilen.


Aktenzeichen 5- 2 St-E 2/07

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