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"Europafreundlichkeit geht nicht vor Verkehrssicherheit" Entscheidung zum Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis während einer noch laufenden Sperrfrist wegen Trunkenheitsdelikts
Datum: 15.01.2007
Kurzbeschreibung:
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute in einem Revisionsverfahren einen Fall des so genannten Führerscheintourismus entschieden.
Dem 31-jährigen Angeklagten war nach wiederholten Verurteilungen wegen Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis gerichtlich entzogen worden. Er hatte dann jedoch noch vor Ablauf der gerichtlich festgesetzten Sperrfrist bei einem eintägigen Aufenthalt in Marienbad in Tschechien für 1.150.- € einen EU- Führerschein erworben.
Mit diesem Führerschein hatte er dann nach Ablauf der gerichtlich festgesetzten Sperrfrist in Deutschland wiederholt ein Fahrzeug gelenkt.
In erster Instanz war der Angeklagte durch das Amtsgericht Bad Mergentheim wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu 6 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Ellwangen hat ihn freigesprochen. Auf die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat der 1. Strafsenat das angefochtene Urteil heute aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Ellwangen zurückverwiesen.
Im Urteil wird ausgeführt, dass die gegenseitige Anerkennung von Fahrerlaubniserteilung in den EU - Staaten für die juristische Praxis erhebliche Probleme aufwirft. Im Spannungsverhältnis stehe auf der einen Seite die Verwirklichung von Grundfreiheiten des gemeinsamen Binnenmarktes, vor allem der Freiheit des Personenverkehrs, und auf der anderen Seite die Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Umgehungsmöglichkeiten des nationalen Fahrerlaubnisrechts.
Der während des Laufs einer in der Bundesrepublik Deutschland strafgerichtlich verhängten Fahrerlaubnissperrfrist in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellte EU-Führerschein sei hier nicht anerkennungsfähig. Dieser EU - Führerschein werde auch nicht dadurch wirksam, dass die Sperrfrist abgelaufen sei. Der Angeklagte hätte also nicht mit der Begründung frei gesprochen werden dürfen, dass das Europarecht die Anerkennung auch derart erworbener Führerscheine gebietet. Einen Grundsatz „Europafreundlichkeit geht vor Verkehrssicherheit“ gebe es nicht. Die Präambel der EU - Führerscheinrichtlinie nenne ausdrücklich das Anliegen, „die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern“. Diese heutige Entscheidung stehe zu der Rechtsprechung des EuGH nicht in Widerspruch.
Eine andere Strafkammer des Landgerichts Ellwangen wird nun erneut über die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten zu entscheiden haben.
Urteil vom 15. Januar 2007 (1 Ss 560/06)
Zum Volltext der Entscheidung, Urteil vom 15.01.2007, Aktenzeichen 1 Ss 560/06.