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Keine Haftung des Landkreises Reutlingen für verunglücktes Pflegekind
Datum: 20.07.2005
Kurzbeschreibung:
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hatte darüber zu entscheiden, ob der Landkreis Reutlingen Schadensersatz wegen eines Unfalls eines Kleinkindes bei seinen Pflegeeltern schuldet.
Auf Veranlassung des Jugendamts wurde ein sechs Wochen alter Säugling bei einer Pflegefamilie untergebracht. Mitarbeiter des Jugendamts hatten das Kind in einer Wohngemeinschaft in Reutlingen in Gesellschaft zweier Männer und zweier Kampfhunde gefunden. Das Kind lag in eine schmutzige Decke gewickelt auf dem Sofa. Die drogenabhängige, wohnsitzlose Mutter war nicht anwesend. Die Pflegefamilie war schon früher im Einsatz gewesen, die Pflegemutter hat selbst drei Kinder und ist Kinderkrankenschwester. Die Mutter des Kindes stimmte der Aufnahme bei den Pflegeeltern am Tag danach zu. Nach 10 Tagen wurde das Kind mit schwersten Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht und ist seither zu 100% schwerbehindert. Nach Darstellung der Pflegemutter soll das Kind von der als Wickeltisch genutzten Waschmaschine gefallen sein, als die kleine Tochter der Pflegemutter bei einem Sturz vom daneben stehenden Kinderhocker die Wickelauflage mit sich gerissen habe.
Die Krankenkasse und die Pflegekasse verlangen vom Landkreis Schadensersatz und meinen, dass dieser wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und wegen einer Vertragsverletzung hafte. Auch sei das Verschulden der Pflegemutter dem Landkreis zuzurechnen. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht hat eine Haftung des Landkreises verneint. Die Mitarbeiter des Jugendamts hätten keine Amtspflichten verletzt, da auch bei einer Inobhutnahme eines Kindes und Aufnahme in die Bereitschaftspflege das Jugendamt nur dazu verpflichtet sei, die Pflegepersonen sorgfältig auszuwählen und durch Kontrollen zu überprüfen. Eine etwaige Haftung der Pflegemutter sei dem Landkreis nicht als Amtspflichtverletzung zuzurechnen, da mit den Pflegeeltern nur privatrechtliche Beziehungen bestünden und auch keine Tätigkeit der Pflegeeltern mit hoheitlichem Charakter vorliege. Die Pflegeeltern würden die Betreuung auch bei einer Bereitschaftspflege weitgehend ohne Einfluss des Jugendamts ausüben, was auch dem Grundgedanken des Jugendhilferechts entspreche, nämlich nur beratend und unterstützend tätig zu sein. Vertragliche Haftungsansprüche bestünden nicht.
Der Senat hat das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Zum Volltext der Entscheidung, Urteil vom 20.7.2005, Aktenzeichen 4 U 81/05