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Kartellsenat des OLG Stuttgart entscheidet über ein Kartellverfahren zur Preismissbrauchskontrolle von Wasserpreisen der Energie Calw GmbH
Datum: 05.09.2013
Kurzbeschreibung:
Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart als Kartellsenat über ein Kartellverfahren zur Preismissbrauchskontrolle von Wasserpreisen entschieden. Er hat eine Verfügung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (ehemals Wirtschaftsministerium) Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde vom 24. Februar 2011 (erneut) aufgehoben, die in einem Missbrauchsverfahren nach §§ 19, 32 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gegen die Energie Calw GmbH als Wasserversorgungsunternehmen ergangen war.
Mit der aufgehobenen Verfügung sollte die Beschwerdeführerin, das Wasserversorgungs-unternehmen der Stadt Calw, verpflichtet werden, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 bei allen Tarif-Wasserkunden bei der Berechnung der Wasserentgelte - statt der verlangten 2,79 €/Kubikmeter - einen Nettopreis von nicht mehr als 1,82 €/Kubikmeter anzusetzen; im Fall bereits erfolgter Endabrechnung sollte bis zum 31. Mai 2011 allen Wasserkunden die Differenz erstattet werden.
In seiner ersten Entscheidung vom 25. August 2011 hatte der Kartellsenat die Verfügung aufgehoben, da die Landeskartellbehörde bei ihrer Kosten- und Kalkulationsprüfung zu Unrecht die Kalkulationsregeln für Strom- und Gasnetze zugrunde gelegt habe und der Gesetzgeber - so der Senat in seiner ersten Entscheidung - bewusst von vergleichbaren Regelungen im Bereich der Wasserversorgung abgesehen habe.
Auf die Rechtsbeschwerde der Landeskartellbehörde hat der Bundesgerichtshof mit Be-schluss vom 15. Mai 2012 diese erste Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart aufgehoben und entschieden, dass eine Preiskontrolle nach den spartenfremden Verord-nungen für die Strom- und Gasnetze zulässig ist, falls Unsicherheiten durch Zuschläge ausgeglichen werden. Ein Preismissbrauch sei erst anzunehmen, wenn der tatsächliche Preis den ermittelten Wettbewerbspreis weit übersteige, wobei ein Erheblichkeitszuschlag vorzunehmen sei.
Der 2. Zivilsenat hatte nunmehr zu prüfen, ob die Landeskartellbehörde in der angefochtenen Verfügung vom 24. Februar 2011 in Anlehnung an die Verordnungen für Strom- und Gaspreise eine richtige Kalkulation mit angemessenen Zuschlägen vorgenommen hat. In der Entscheidung vom heutigen Tage hat der Kartellsenat die Verfügung der Landeskar-tellbehörde vom 24. Februar 2011 erneut aufgehoben, weil die Kalkulation, die der Was-serversorger als Monopolunternehmen gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB vorzunehmen hat („Als-Ob-Wettbewerb“), zumindest teilweise zu beanstanden sei. In etlichen Kalkulationsansätzen sei - so der Senat - der Landeskartellbehörde methodisch und sachlich zu folgen, bei einzelnen Positionen seien jedoch die Bewertungen des Wasserversorgers zu berücksichtigen, weshalb der Landeskartellbehörde mit der heutigen Entscheidung aufge-geben wurde, auf der Grundlage der vom Senat aufgestellten Einzelbewertungsansätze (etwa vor allem Werbungskosten, Zuschlüsselung von Personalaufwendungen einschließlich Abfindungen, kalkulatorische Kosten, Behandlung des Anlagevermögens und Kosten der Wasserbeschaffung) eine neue Verfügung zu treffen.
Ergänzende Hinweise:
Beschluss vom 5. September 2013 (Aktenzeichen: 201 Kart 1/12)
Beschluss des BGH vom 15. Mai 2012 (Aktenzeichen: KVR 51/11)
(http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=ce0b79bdbf441f8f5524ab3e4fbe1b9b&nr=61242&pos=0&anz=1)
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (auszugsweise)
§ 19 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
1. ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder …
(4) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen …
2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; …
Verfahrenshinweise:
Verfahrensgegenstand ist eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, die die Lan-deskartellbehörde Baden-Württemberg auf der Grundlage des § 32 GWB zur Abstellung eines von ihr festgestellten Missbrauchs bei der Festsetzung von Wasserentgelten erlassen hat. Die Verteidigungsmöglichkeit hiergegen hat der Gesetzgeber in § 63 GWB als Beschwerdeverfahren ausgestaltet, für das die Oberlandesgerichte am Sitz der Kartellbe-hörde zuständig sind. Da es sich um ein Beschwerdeverfahren handelt, wird nicht durch Urteil, sondern gemäß § 71 GWB durch Beschluss entschieden. Gegen diesen Beschluss gibt es das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde (§ 74 GWB), grundsätzlich allerdings nur, wenn sie durch das Oberlandesgericht zugelassen wird.