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Oberlandesgericht Stuttgart ordnet im Wege der einstweiligen Verfügung den vorläufigen Weiterbetrieb des Krankenhauses in Isny an.

Datum: 13.02.2013

Kurzbeschreibung: 

 

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit Urteil vom 13.02.2013 den Landkreis Ravensburg verpflichtet, das Krankenhaus in Isny bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache vor dem Landgericht Ravensburg (6 O 400/12) oder bis zu einer Einigung der Parteien über eine Anpassung ihres Vertrages vom 18.03./06.10.1970 vorläufig im bisherigen Umfang weiter zu betreiben oder weiter betreiben zu lassen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung vom Januar zur mündlichen Verhandlung verwiesen, die über die Homepage abgerufen werden kann.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat ausgeführt, die Stadt Isny habe derzeit einen Anspruch auf Weiterbetrieb des Krankenhauses in Isny. Der 1970 abgeschlossene Vertrag sei privatrechtlicher Natur und wirksam. Die Nichtigkeit wegen eines Formmangels sei zu verneinen, da der Vertrag in eine notarielle Beurkundung vom 04.02.1971 mit einbezogen worden sei. Der Vertrag sei auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig. Ein erst nach dem Vertrag aufgetretenes späteres Missverhältnis zwischen der Übertragung des Krankenhauses an den Landkreis und dessen Verpflichtung zum Betrieb führe aus Rechtsgründen nicht zur Sittenwidrigkeit. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich auch nicht aus der unbegrenzten oder einer überlangen Laufzeit des Vertrages, die Eingehung von längerdauernden Verpflichtungen genüge dafür nicht. Es sei lediglich das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen worden. Mit dieser Regelung habe man sicherstellen wollen, dass das Krankenhaus langfristig weiterbetrieben wird, um dem Interesse der Stadt nachzugehen, den Bedarf der örtlichen Bevölkerung nach einer stationären medizinischen Versorgung dauerhaft abzudecken. Der intendierte längerfristige Weiterbetrieb ergebe sich auch aus der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrages, nachdem ein großes innerstädtisches Grundstück übertragen wurde und eine Betriebsverpflichtung vom Landkreis übernommen wurde.

Die Kündigungserklärungen des Landkreises vom 13.11.2012 und 31.01.2013 seien unwirksam. Im vorliegenden Sachverhalt sei von einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB auszugehen, die zunächst primär zu einer Vertragsanpassung führen müsse. § 313 Abs. 3 BGB regle einen Vorrang für eine Vertragsanpassung. Erst danach komme ein Rücktritt oder eine Kündigung in Betracht, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Vertragsteil nicht zumutbar ist.

Die ursprünglichen Vertragsparteien hätten ausweislich der Anhörung im Termin die Vorstellung gehabt, dass sich die Rahmenbedingungen für den Betrieb des Krankenhauses zukünftig nicht wesentlich verändern. Die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit erheblichen Verlusten, die insbesondere durch die Einführung von Fallkostenpauschalen hervorgerufen worden seien, habe man nicht vorausgesehen. Die Veränderung sei eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage. Ein Festhalten des Landkreises an einem unveränderten Vertrag würde zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen. Die erheblichen Verluste seien auch nicht ausschließlich vom Landkreis zu tragen, denn aus den vertraglichen Regelungen sei nicht ableitbar, dass eine der Vertragsparteien uneingeschränkt das Risiko einer wirtschaftlich negativen Entwicklung der Krankenhausfinanzierung tragen sollte.

Aus der gesetzlichen Regelung in § 313 BGB ergebe sich jedoch primär zunächst ein Anspruch auf Vertragsanpassung. Diese sei nach dem derzeitigen Verhandlungsstand auch weder unmöglich noch unzumutbar. Aufgrund des Vorrangs der Vertragsanpassung sei der Landkreis derzeit nicht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt. Die bisher zwischen den Parteien geführten Gespräche und Verhandlungen hätten sich nicht ausreichend mit Möglichkeiten einer Vertragsanpassung auseinandergesetzt. In Betracht kämen dabei auch eine Übertragung von Planbetten zur Fortführung des Krankenhauses durch die Stadt oder anderweitige städtische Verlustbeteiligungen beziehungsweise Unterstützungsleistungen. Der abgeschlossene Vertrag habe deshalb jedenfalls vorläufig weiterhin Bestand.

Es sei auch von einer besonderen Eilbedürftigkeit (Verfügungsgrund) auszugehen, denn auch eine nur zeitweise Einstellung des Betriebes des Krankenhauses würde die stationäre medizinische Versorgung der Einwohner von Isny und Umgebung wesentlich verschlechtern, die Stadt habe die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens auch nicht über Gebühr verzögert.

Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens wurde auf 640.000 € festgesetzt.

Ergänzende Hinweise:

§ 313 BGB - Störung der Geschäftsgrundlage

(1)   Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2)   Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3)   Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Zum Vorrang der Vertragsanpassung z.B. BGH, Urteil vom 30.09.2011, V ZR 17/11 (Rn. 22 ff.)

 

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