Der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte mit Urteil vom heutigen Tag einen 42-jährigen türkischen Staatsangehörigen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
Feststellungen des Senats zur Tat
Der Senat hat festgestellt, dass der im Juni 2017 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Angeklagte bereits Mitte 2017 in Kontakt mit PKK-Kadern stand, ab Juli 2018 für ein Jahr die Leitung des PKK-Gebiets Freiburg übernahm und dort mit der jährlichen Spendenkampagne der PKK (die bundesweit im Jahr 2018 über 15 Millionen Euro erbrachte) befasst war. Im Anschluss betätigte er sich bis zu seiner Festnahme im Mai 2021 als Gebietsleiter des PKK-Gebiets Heilbronn, wo er die anfallenden organisatorischen, finanziellen und propagandistischen Angelegenheiten erledigte und Vorgaben der Europaführung der PKK konspirativ umsetzte. Gleichzeitig wurde er von PKK-Aktivisten und PKK-Sympathisanten unterstützt und unterhielt Verbindungen zu anderen PKK-Gebietsverantwortlichen.
Nach den Feststellungen des Senats handelt es sich bei der PKK um eine ausländische terroristische Vereinigung, die weiterhin die Errichtung eines staatsähnlichen Gebildes auf kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, Syrien, im Irak und im Iran anstrebt. Zur Durchsetzung ihrer Ziele setzt sie nach wie vor mit ihrem militärischen Arm bzw. ihren Guerillaeinheiten auch Anschläge unter anderem auf türkische Militär- und Polizeiangehörige ein, bei denen auch Zivilisten getötet oder verletzt werden. Die in Deutschland seit 1993 verbotene Vereinigung verfügt europaweit über Führungskader, die von der Parteispitze getroffene Vorgaben und Entscheidungen umsetzen. In Deutschland besteht hierzu ein räumlich und hierarchisch strukturiertes Gefüge von Region- und Gebietsleitern, die sich in ihrem jeweiligen Gebiet vor allem mit der Beschaffung von Geldmitteln, der Durchführung von Demonstrationen und anderen Veranstaltungen befassen und durch die damit verbundenen Betätigungen zur Förderung des bewaffneten Kampfs in der Türkei beitragen.
Strafzumessung des Senats
Bei der Strafzumessung hat der Senat zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich bei der PKK um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt und der Angeklagte die Positionen als Gebietsleiter über einen langen Zeitraum hinweg ununterbrochen innehatte. Strafmildernd bewertete der Senat unter anderem die lang andauernde, pandemiebedingt mit besonderen Belastungen verbundene Untersuchungshaft sowie, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte während seiner Schulzeit in der Türkei aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit Benachteiligungen erlitt.
Weitere Informationen zu dem Verfahren
Der Senat hat seit dem 21. Februar 2022 an 60 Tagen verhandelt und im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme 44 Zeugen und vier Sachverständige vernommen. Außerdem wurden zahlreiche abgehörte Telefongespräche, SMS-Nachrichten und Urkunden sowie Videoaufzeichnungen und Lichtbilder in die Hauptverhandlung eingeführt. Überdies hatte sich der Senat mit rund 140 Anträgen der Verteidigung zu befassen.
Der Senat hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil die Revision zum Bundesgerichtshof offen, die binnen einer Woche nach Verkündung des heutigen Urteils eingelegt werden muss.
Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2022: hier.
Pressemitteilungen des Generalbundesanwalts vom 24. Januar 2022: hier.
Aktenzeichen
7 - 35 OJs 3/19 – Oberlandesgericht Stuttgart