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Keine Schadensersatzpflicht des errichtenden Unternehmens nach Havarie einer Biogasanlage in Riedlingen

Datum: 22.11.2016

Kurzbeschreibung: 

Mit heute verkündetem Berufungsurteil hat der 10. Zivilsenat unter Vorsitz von Hans-Joachim Rast die Schadensersatzklage gegen das errichtende Unternehmen wegen der Havarie einer Biogasanlage in Riedlingen im Dezember 2007 auch in zweiter Instanz abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ravensburg hat der Senat damit im Ergebnis bestätigt. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass das Werk der Beklagten im Bereich der Verschraubung zwar einen wesentlichen Mangel aufgewiesen hat. Es sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dieser Mangel für den eingetretenen Schaden mit ursächlich geworden ist.

Über den Sachverhalt informiert die Pressemitteilung vom 17. Oktober 2016.         

In seinem Urteil stellt der Senat fest, dass das Werk der Beklagten bei der Verschraubung im unteren Bereich des Fermenters einen wesentlichen Mangel aufgewiesen habe. Durch eine unsachgemäße Verschraubung sei die Scherfläche der Schrauben teilweise nicht in ihrem Schaft, sondern im Gewinde gelegen. Dadurch habe die tatsächliche Beanspruchbarkeit der Schrauben um 11 % unter der berechneten gelegen. Bei (angenommener) voller Befüllung des Fermenters und unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte hätte der Fermenter wegen der Mängel der Verschraubung im unteren Ring versagt.

Die Klägerinnen machten als Schaden keine Mangelbeseitigungskosten (z.B. für eine Nachbesserung der Schrauben) geltend, sondern Mangelfolgeschäden an der baulichen Anlage sowie in Form von vergeblichen Aufwendungen als Folge der Havarie des Fermenters (sog. nahe und ferne Mangelfolgeschäden nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 VOB/B (2006)). Die Beklagte habe den Klägerinnen diese Schäden nur zu ersetzen, wenn der Schaden adäquat kausal durch den Mangel zumindest mit verursacht wurde. Dazu müsse der Mangel notwendige Bedingung für den geltend gemachten Folgeschaden sein. Hierfür gälten die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche daher eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.

Vorliegend sei es jedoch – so der Senat – nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Mangel der Verschraubung für den eingetretenen Schaden mit ursächlich geworden ist:

  • Es stehe fest, dass dieser Mangel nicht die alleinige Ursache für das Schadensereignis sein könne. Die vom Gericht beauftragte Sachverständige habe errechnet, dass die Standsicherheit der Anlage – unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Havarie bestehenden Füllhöhe von mindestens 17 m bei einer maximal zulässigen Höchstfüllmenge von 19 m und von Scherfugen im Gewinde – nachgewiesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe vor einem Versagen des Fermenters noch eine Sicherheit von 20 % bestanden, weil die Anlage noch nicht vollständig befüllt gewesen sei; erst mit einem zusätzlichen Innendruck von 0,5 bar hätte die Konstruktion in dieser Situation versagt.
  • Die Überbeanspruchung der stählernen Fermenterhülle sei nach den überzeugenden Ausführungen des weiteren gerichtlichen Sachverständigen zumindest sehr wahrscheinlich durch eine Explosion oder Verpuffung im Gasraum des Fermenters entstanden. Nach Lufteintritt sei in einem Teilbereich des Fermenters ein explosives Methan-Luft-Gemisch entstanden. Eine Zündung dieses Gases sei zumindest wahrscheinlich, auch wenn eine eindeutige Zündquelle nicht auszumachen sei.
  • Es könne nicht festgestellt werden, dass die Mangelhaftigkeit der Schrauben daneben überwiegend wahrscheinlich für die geltend gemachten Schäden mit ursächlich war. Wäre die Verschraubung des Fermenters fachgerecht und damit mangelfrei erfolgt, hätte der betroffene Bereich erst bei einem zusätzlichen Druck von 1,25 bar versagt. Welcher Überdruck durch die Explosion oder Verpuffung im Fermenter ausgelöst wurde, habe der Sachverständige zwar nicht beziffern können. Ein Überdruck von mehr als 1,25 bar, den auch ein mangelfreier Fermenter im Bereich der Verschraubungen nicht ausgehalten hätte, sei aber nicht hinreichend auszuschließen. Im Übrigen hätte die Konstruktion des Fermenters auch bei Mangelfreiheit schon ab einem Überdruck von rechnerisch ca. 0,5 bar an anderen Stellen versagt. Die gerichtliche Sachverständige hielt einen Beginn der Havarie im Bereich der Mangelhaftigkeit des Werks der Beklagten für wahrscheinlich, aber nicht für sehr wahrscheinlich. Es bleibe danach auch unter Berücksichtigung des Schadensbildes offen, ob die mangelbedingte Schwachstelle auf den Schadenshergang einen Einfluss hatte.

Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen. Die Klägerinnen können hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde erheben.

Aktenzeichen

10 U 22/16 - Oberlandesgericht Stuttgart

4 O 347/08 - Landgericht Ravensburg

 

Relevante Normen

 

§ 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2006)

Im Übrigen ist dem Auftraggeber der Schaden an der baulichen Anlage zu ersetzen, zu deren Herstellung, Instandhaltung oder Änderung die Leistung dient, wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und auf ein Verschulden des Auftragnehmers zurückzuführen ist. Einen darüber hinausgehenden Schaden hat der Auftragnehmer nur dann zu ersetzen,

a) wenn der Mangel auf einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik beruht,

b) wenn der Mangel in dem Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit besteht oder

c) soweit der Auftragnehmer den Schaden durch Versicherung seiner gesetzlichen Haftpflicht gedeckt hat oder durch eine solche zu tarifmäßigen, nicht auf außergewöhnliche Verhältnisse abgestellten Prämien und Prämienzuschlägen bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer hätte decken können.

 

 

287 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)

Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.

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