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7. Strafsenat: Zwei Angeklagte wegen der Lieferung von Elektronikbauteilen für militärisches Gerät nach Russland zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und neun Monaten sowie von einem Jahr und neun Monaten verurteilt

Datum: 17.07.2024

Kurzbeschreibung: 

7. Strafsenat: Zwei Angeklagte wegen der Lieferung von Elektronikbauteilen für militärisches Gerät nach Russland zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und neun Monaten sowie von einem Jahr und neun Monaten verurteilt

Der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Manuela Haußmann in einem Staatsschutzverfahren wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) das Urteil verkündet. Der 59 Jahre alte Angeklagte, ein deutsch-russischer Staatsangehöriger, wurde zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die 54 Jahre alte Mitangeklagte, ebenfalls deutsch-russischer Staatsangehörigkeit, wurde zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Senat ordnete überdies mit Blick auf die erzielten Verkaufserlöse die Einziehung von Wertersatz in Höhe von insgesamt rund 880.000 EUR an.

 

Feststellungen des Senats zu den Taten

Der Angeklagte handelte seit über 15 Jahren mit Elektronikbauteilen und führte dazu im Saarland zuletzt zwei Unternehmen. Nach den Feststellungen des Senats verkaufte und lieferte er zwischen Januar 2020 und Mai 2023 in 54 Fällen insgesamt über 120.000 Stück derartiger Bauteile an Unternehmen in Russland, die dort personell, finanziell und organisatorisch mit der Produktion von militärischem Material und Zubehör verbunden sind. Eines der Produkte ist die im Rahmen der vollumfänglichen Invasion in der Ukraine zur Ausrichtung des Artilleriefeuers eingesetzte Drohne „Orlan 10“.

 

Die vom Angeklagten gelieferten Bauteile durften aufgrund von verschiedenen Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union, so etwa der Russland-Embargo-Verordnung (Nr. 833/2014), an Empfänger in Russland grundsätzlich weder verkauft noch dorthin ausgeführt und geliefert werden. Unter bewusster Übertretung dieser Verbote führte der Angeklagte dennoch die zunächst bei Herstellern und Großhändlern in der Europäischen Union und den USA erworbenen Bauteile bis Februar 2022 an verschiedene Unternehmen nach Russland aus, die ihrerseits dann unter billigender Inkaufnahme durch den Angeklagten für eine Weiterleitung an militärische Hersteller Sorge trugen. Ab Beginn der vollumfänglichen Invasion in der Ukraine Ende Februar 2022 ging der Anklagte in enger Absprache mit seinen russischen Geschäftspartnern dazu über, in den Rechnungen und Frachtpapieren Firmen in Hongkong, Kirgistan, Kasachstan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei als angebliche Käufer und Empfänger anzugeben. Tatsächlich gelangten die Lieferungen aber – wie von vorne herein beabsichtigt – in allen Fällen an Unternehmen in Russland.

 

Nachdem die deutschen Zollbehörden infolge einer Betriebsprüfung beim Angeklagten im Oktober 2022 auf diese Praktiken aufmerksam geworden waren, verlegten sich der Angeklagte und seine russischen Geschäftspartner darauf, die jeweiligen Ausfuhren bei Zollbehörden in Polen, Estland und Litauen anzumelden.

 

Die Mitangeklagte, im Tatzeitraum die Lebensgefährtin des Angeklagten und Geschäftsführerin eines von ihm beherrschten Unternehmens im Raum Karlsruhe, unterstützte diese Machenschaften in 14 Fällen dadurch, dass sie gegenüber den Lieferanten der Artikel bewusst unrichtige Erklärungen des Inhalts abgab, die Waren seien zur Verarbeitung und zum Einsatz in Deutschland bestimmt und nicht zum Weitervertrieb vorgesehen.

 

Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die von ihm aufgewandte kriminelle Energie – insbesondere in Gestalt der Umgehung der Sanktionen nach Februar 2022 – sowie den langen Zeitraum der Geschäfte und deren erheblichen Umfang berücksichtigt. Strafmildernd wertete der Senat die bisherige Straffreiheit des Angeklagten, die erstmals vollzogene Untersuchungshaft sowie den Umstand, dass er den äußeren Tatablauf eingeräumt hat, was die Beweisaufnahme merklich abgekürzt hat, und rückblickend auch Reue erkennen ließ. Gegen den Angeklagten, der sich bereits seit dem 9. März 2023 in Untersuchungshaft befindet, hat der Senat Haftfortdauer angeordnet.

 

Bei der Mitangeklagten, die nur an einem Teil der Taten beteiligt war, wurde strafmildernd neben deren weitgehendem Geständnis die bei ihr ebenfalls erstmals vollzogene Untersuchungshaft gesehen, durch die sie erheblich beeindruckt war. Deshalb und aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes hat der Senat die gegen sie verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

 

Das Urteil entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts. Die Angeklagte hat auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Dem Angeklagten und dem Generalbundesanwalt steht gegen das Urteil die Revision zum Bundesgerichtshof offen, die innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden muss.

 

Weitere Informationen zum Verfahren

Das Verfahren erstreckte sich über elf Verhandlungstage. Neben der Anhörung eines technischen Sachverständigen, der über 200 unterschiedliche Sorten von Elektronikbauteilen im Rahmen der Sanktionslisten der Russland-Embargo-Verordnung nach deren Funktionsweise und Leistungsfähigkeit einzustufen hatte, waren zahlreiche Geschäftsunterlagen im Umfang von über 1.000 Seiten einzuführen. Dabei waren teilweise Übersetzungen aus verschiedenen Sprachen erforderlich.

 

 

Aktenzeichen

7 St 3 BJs 119/23

3 BJs 119/23 Generalbundesanwalt

 

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