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6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen Raumverantwortlichen und Gebietsleiter der „PKK“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung

Datum: 05.11.2019

Kurzbeschreibung: 

6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt einen Raumverantwortlichen und Gebietsleiter der „PKK“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der sog. „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK). Der 53-jährige Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129 a und b des Strafgesetzbuchs in 33 Fällen, davon in 32 Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Vergehen des wiederholten Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 6a, 56 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe setzte der Senat zur Bewährung aus. Ferner wurde ein Bargeldbetrag in Höhe von 26.000 Euro eingezogen.

Dem Urteil waren 35 Verhandlungstage seit dem 16. April 2019 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 16 Zeugen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und abgehörte Telefongespräche eingeführt. In der Hauptverhandlung waren zudem auch Bekennervideos der PKK zu tödlichen Anschlägen auf Militär- und Sicherheitsorgane der Türkei abgespielt worden.

Nach den Feststellungen des Senats strebt die PKK einen staatsähnlichen „konföderalen“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak mit eigener Armee und Staatsbürgerschaft an. Neben einem politischen Arm verfügt sie zur Durchsetzung ihrer Ziele auch über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die vor allem im Südosten der Türkei Anschläge vorwiegend auf türkische Polizisten und Soldaten verüben, bei denen immer wieder auch Zivilisten zu Schaden kommen. Zweck und Tätigkeit der PKK sind daher u.a. darauf gerichtet, durch Anschläge Mord und Totschlag in der Türkei zu begehen. Die PKK besitzt auch in Deutschland und anderen Ländern Westeuropas feste Organisationsstrukturen. Dort haben ihre Mitglieder bzw. hauptamtlichen Parteikader vor allem die Aufgabe, Finanzmittel für die Organisation zu beschaffen, PKK-Anhänger für den Guerillakampf und den Kaderapparat zu rekrutieren und öffentlichkeitswirksame Aktionen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne der PKK zu planen und durchzuführen. Die PKK ist seit 1993 in Deutschland verboten und wird von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestuft.

Ferner ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich der im Juli 2001 mit seiner Familie in das Bundesgebiet eingereiste und in Baden-Württemberg wohnhafte Angeklagte von Mai 2015 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2018 durchgängig für die PKK betätigt und dabei die Position eines Raumverantwortlichen für den Raum Sinsheim innegehabt hatte; darüber hinaus war er ab Ende Dezember 2017/Anfang Januar 2018 in herausgehobener Position als Gebietsverantwortlicher der PKK für das Gebiet Heilbronn eingesetzt und übte auch diese Tätigkeit bis zu seiner Festnahme aus. Hierbei kam er vor allem der Aufgabe nach, in seinem jeweiligen Raum bzw. Gebiet Spenden einzufordern, diese an die PKK weiterzuleiten, Propagandamaterialien zu verteilen, örtliche Veranstaltungen zu initiieren und durchzuführen sowie Busse zum Transport der Teilnehmer aus seinem Raum bzw. Gebiet zu PKK-Großveranstaltungen zu organisieren. Im Zuge der Ausübung seiner Tätigkeit für die PKK verstieß der Angeklagte als abgelehnter Asylbewerber mit Aufenthaltserlaubnis überdies in insgesamt 32 Fällen gegen eine bestandskräftige Aufenthaltsbeschränkung des Regierungspräsidiums Stuttgart. Dies führte auch dazu, dass die von dem Angeklagten für die PKK ausgeübte mitgliedschaftliche Tätigkeit nach höchstrichterlichen Vorgaben letztlich zu einer Verurteilung wegen 33 Einzeltaten führte, obgleich sie vom Angeklagten im Tatzeitraum ununterbrochen ausgeübt worden war.

Hinsichtlich eines bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 26.000 Euro gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um Finanzmittel der PKK handelt, weshalb deren Einziehung angeordnet wurde.

Der Senat hat bei der Strafzumessung u.a. berücksichtigt, dass sich der Angeklagte über einen nicht unerheblichen Zeitraum von mehr als drei Jahren in verantwortlicher Position an der PKK beteiligt hat und dass er bereits einschlägig wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz vorbestraft ist. Strafmildernd wertete der Senat neben der langen Dauer der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr und vier Monaten u.a., dass sich der Angeklagte überwiegend geständig eingelassen hat und dass er nur rund ein halbes Jahr lang in übergeordneter Stellung als Gebietsverantwortlicher tätig gewesen war.
Der Senat hob den gegen den Angeklagten erlassenen Haftbefehl vom Juni 2018 auf.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.


Aktenzeichen:
6 – 34 OJs 3/15 – Oberlandesgericht Stuttgart
34 OJs 3/15 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart 

Relevante Normen (Auszug):

Strafgesetzbuch (StGB)

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen:

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

§ 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG)

§ 95 Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer


6a
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt ….

§ 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

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