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Urteil in einem Staatsschutzverfahren wegen Mitgliedschaft in den ausländischen terroristischen Vereinigungen „IS“ und „Junud al-Sham“ u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten

Datum: 25.09.2019

Kurzbeschreibung: 

Urteil in einem Staatsschutzverfahren wegen Mitgliedschaft in den ausländischen terroristischen Vereinigungen „IS“ und „Junud al-Sham“ u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten

Der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte heute unter dem Vorsitz von Stephan Maier einen 30-jährigen deutsch-tunesischen Staatsangehörigen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in den ausländischen terroristischen Vereinigungen „Islamischer Staat (IS)“ und „Junud al-Sham“ sowie wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.

Der Senat hat seit dem 23. Mai 2019 an fünfzehn Tagen verhandelt und im Rahmen der Beweisaufnahme 18 Zeugen und fünf Sachverständige gehört. Im Wesentlichen hat der Senat in diesem Verfahren, in dem – allerdings erst nach weit fortgeschrittener Beweisaufnahme – eine Verständigung zustande kam, folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte verließ in der zweiten Novemberhälfte 2013 die Bundesrepublik Deutschland, um sich dem „IS“ anzuschließen. Er reiste über die Türkei nach Syrien ein und hielt sich dort im Dezember 2013 und Januar 2014 mit anderen ausländischen Kämpfern in einem militärischen Ausbildungslager des „IS“ bei Dar Ta Izzah auf. Dort wurde er militärisch ausgebildet, ideologisch geschult und ließ sich im Umgang mit Pistolen unterweisen.

Nachdem es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit rivalisierenden Terrorgruppen gekommen war, kehrte der Angeklagte im Februar 2014 dem „IS“ den Rücken. Er schloss sich nunmehr der ausländischen terroristischen Vereinigung „Junud al-Sham“ an, der er sich bis Anfang April 2014 als Kämpfer und Sanitäter im Umfeld von Kampfhandlungen in der Provinz Latakia zur Verfügung stellte. In der Folge kehrte er nach Deutschland zurück.

Bei den Organisationen „IS“ und „Junud al-Sham“ handelt es sich um von radikal-islamistischen Anschauungen geleitete terroristische Vereinigungen im Ausland. Die Wurzeln der „Junud al-Sham“ liegen im tschetschenischen Jihadismus. Deren Ziel ist es, das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad in Syrien zu stürzen, dort sowie in den angrenzenden Gebieten einen Gottesstaat unter der Geltung der Scharia zu errichten und langfristig den bewaffneten Kampf auch in den Kaukasus zu verlagern.

Der Angeklagte war in der Zeit von 3. Juni 2015 bis 2. Januar 2018 in Tunesien bereits – u.a. ebenfalls wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „IS“ – inhaftiert. Nach seiner Haftentlassung kehrte er Anfang 2018 wieder nach Deutschland zurück.

Bei der Strafbemessung hat der Senat nicht nur das uneingeschränkte Geständnis und den lange zurückliegenden Tatzeitraum zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, sondern auch, dass der in Deutschland nicht vorbestrafte Angeklagte die Taten vor dem Hintergrund des Bürgerkriegsgeschehen in Syrien begangen und schon Anfang 2018 seine radikal-islamistische Einstellung aufgegeben hat. Straferschwerend ist u. a. bedacht worden, dass es sich in beiden Fällen um besonders gefährliche terroristische Vereinigungen handelt. Im Ergebnis hat der Senat eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten als angemessen erachtet.

Auf diese verhängte Strafe war die in Tunesien erlittene Haft, insgesamt rund 30 Monate, anzurechnen, da diese gegen den Angeklagten aus Anlass eines Tatvorwurfs vollstreckt wurde, der auch Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist. Angesichts der damaligen tunesischen Haftbedingungen hat der Senat einen Anrechnungsmaßstab von 1:2,5 festgesetzt.

Der Angeklagte befand sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart in der Zeit vom 12. September 2018 bis heute in Untersuchungshaft. Der Senat hat, vor allem mit Blick auf die getroffene Anrechnungsentscheidung, die Aufhebung des Haftbefehls angeordnet.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart stehen gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Aktenzeichen
7 – 36 OJs 37/18 –Oberlandesgericht Stuttgart
36 OJs 37/18 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart

Relevante Normen (Auszug):

Strafgesetzbuch (StGB)

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen:
Abs. 1: Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

Abs. 2: Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,

4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

§ 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung
Abs.1: Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.


§ 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
Abs. 1: Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
Abs. 2: Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er
1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,

Abs. 3: Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

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