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Urteil des 5. Strafsenats in einem Staatsschutzverfahren wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ u. a. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren

Datum: 02.08.2019

Kurzbeschreibung: 

Urteil des 5. Strafsenats in einem Staatsschutzverfahren wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ u. a. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte heute unter dem Vorsitz von Herbert Anderer einen 34 Jahre alten deutsch-algerischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen und wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gewaltdarstellung und in einem Fall in Tateinheit mit Billigung von Straftaten, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Außerdem erkannte der Senat auf die Einziehung mehrerer elektronischer Geräte und eines Geldbetrages von 3.770 EUR.

Der Senat verhandelte seit dem 2. April 2019 an 18 Tagen und hörte im Rahmen der Beweisaufnahme 29 Zeugen und Sachverständige. Zudem wurde eine Vielzahl von Schriftstücken in die Verhandlung eingeführt. Der Angeklagte legte am 17. Verhandlungstag nach einer Verständigung ein umfassendes Geständnis ab. Der Senat hatte an diesem Geständnis keinen Zweifel; es wurde durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme hinsichtlich aller Taten gestützt und untermauert.

Im Wesentlichen konnte der Senat folgenden Sachverhalt feststellen: Der Angeklagte stand in den Jahren von 2015 bis 2017 von seinem Wohnort in Heilbronn aus über das Internet mit Mitgliedern der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ („IS“) in Verbindung, die sich in Syrien und im Irak aufhielten. Diese unterstützte er in neun Fällen bei der Nutzung sozialer Medien, indem er ihnen Mobiltelefonnummern zur Einrichtung von Nutzerkonten bei den Internet-Messaging-Diensten WhatsApp und Telegram zur Verfügung stellte und für sie Accounts bei den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter einrichtete. Die Nutzerkonten konnten von den Angehörigen des „IS“ auch für ihre mitgliedschaftlichen Tätigkeiten genutzt werden.

Der Angeklagte gehörte zudem seit dem Jahr 2017 bis zu seiner Festnahme am 21. März 2018 einer Personengruppe an, die unter dem Namen „Al-Hudhud“ und dem Logo eines Wiedehopfs im Internet Propaganda des „IS“ verbreitete und das aktuelle Tagesgeschehen in einer ausschließlich den „IS“ befürwortenden Weise kommentierte. Im Rahmen dieser Tätigkeit veröffentlichte der Angeklagte in Kanälen des Messaging-Dienstes Telegram am 16. März 2017 und am 6. Februar 2018 zwei Videofilme, die Ausschnitte von Propagandafilmen des „IS“ enthielten. Der erstgenannte Film warb dafür, sich dem „IS“ als Selbstmordattentäter zur Verfügung zu stellen. Im zweiten Film wurde an die Zuschauer appelliert, sich der Vereinigung als Mitglied anzuschließen; außerdem wurde teils in Großaufnahmen die Hinrichtung von vier Anhängern oder Mitgliedern der PKK gezeigt, denen mit Messern die Köpfe abgetrennt wurden. Im Januar 2018 rief der Angeklagte darüber hinaus in einem Telegram-Kanal mit dem Namen „Al-Hudhud“ zu Spenden auf, die dem „IS“ zugutekommen sollten. Bis Ende Januar 2018 konnte der Angeklagte aufgrund dieses Aufrufs mindestens 3.770 EUR an Spenden sammeln. Er leistete auch einen eigenen Beitrag zu der Spendensammlung, so dass von ihm am 30. Januar 2018 ein Betrag von 4.000 EUR an den „IS“ in Syrien transferiert werden konnte. Im Anschluss startete der Angeklagte auf einem anderen Telegram-Kanal eine weitere Spendensammlung, deren Erlöse er ebenfalls der Vereinigung „IS“ zu Verfügung stellen wollte; hierzu kam es aufgrund seiner Festnahme aber nicht mehr. Am 21. März 2018, dem Tag seiner Festnahme, veröffentlichte der Angeklagte schließlich in einem weiteren von ihm betriebenen Telegram-Kanal die Fotografie eines syrischen Soldaten, der wenige Tage zuvor südlich von Damaskus im Rahmen der dortigen Kämpfe von Mitgliedern des „IS“ gefangengenommen worden war; in einem Kommentar zu dem Lichtbild brachte der Angeklagte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass dieser Soldat kurz danach enthauptet worden war.

Der Angeklagte befindet sich seit 21. März 2018 in Untersuchungshaft. Der Senat ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof steht gegen das Urteil das Rechtmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Aktenzeichen:

5 - 2 StE 9/18 – Oberlandesgericht Stuttgart
2 StE 9/18-3 – Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

Relevante Normen (Auszug):

§ 129a Abs. 1 und Abs. 5 StGB – Bildung terroristischer Vereinigungen:
(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Ver-brechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder …
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 129b Abs. 1 StGB – Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland:
Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

§ 131 StGB - Gewaltdarstellung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Ver-harmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
a) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
….
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient.

§ 140 StGB - Belohnung und Billigung von Straftaten
Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative und in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Abs. 3, nach den §§ 176a und 176b, nach § 177 Absatz 4 bis 8 oder nach § 178, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist,

2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) billigt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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