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Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt ein Mitglied der terroristischen Vereinigung „JAMWA“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung

Datum: 15.02.2021

Kurzbeschreibung: 

Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt ein Mitglied der terroristischen Vereinigung „JAMWA“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete am Freitag, 12. Februar 2021, unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der syrischen Vereinigung „Jaish al-Muhajirin wal-Ansar“ (JAMWA). Der 28-jährige Angeklagte, ein syrischer Staatsangehöriger und in der Bundesrepublik Deutschland anerkannter Asylbewerber, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129 b Strafgesetzbuch zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe setzte der Senat zur Bewährung aus.

 

Dem Urteil waren 15 Verhandlungstage seit dem 8. Oktober 2020 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 16 Zeugen und einen Islamwissenschaftler als Sachverständigen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und abgehörte Telefongespräche eingeführt. Nach den Feststellungen des Senats strebte die als jihadistisch einzustufende JAMWA ein islamisches Kalifat in Syrien und den angrenzenden Staaten des Nahen Ostens unter Geltung der Scharia an. Diesem Ziel versuchte die hierarchisch gegliederte Vereinigung unter Führung des Georgiers Abu Umar al-Shishani durch militärischen Kampf näher zu kommen. Im Zeitraum seit ihrer Gründung im März 2013 beteiligte sich die Organisation an zahlreichen militärischen Operationen in Nordsyrien mit einer Vielzahl von Toten und Verletzten. Aufgrund der ideologischen Nähe kooperierte die JAMWA besonders eng mit der Vereinigung „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS), dem später sogenannten IS.

 

Der Senat ist davon überzeugt, dass der inzwischen 28-jährige Angeklagte Ahmad I. sich ab Sommer 2013 für einen Zeitraum von jedenfalls zwei Monaten der JAMWA angeschlossen hat. Dort war er in der Basisstation der JAMWA in Hraytan, einem Vorort von Aleppo, eingesetzt, die an der Frontlinie des syrischen Bürgerkrieges in dem bei Aleppo gelegenen Ort Kafr Hamra eine Stellung hielt. Er war u.a. mit der Beschaffung und der Zubereitung der täglichen Verpflegung der Mitglieder der Gruppierung befasst, verrichtete Reinigungsarbeiten und betätigte sich als einheimisches, arabisch-sprechendes Mitglied an der sprachlichen Eingliederung der im Wesentlichen ausländischen Angehörigen der Gruppierung. Dass der Angeklagte in dieser Zeit an einem Kampfeinsatz teilgenommen hatte, konnte der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.

 

Der Senat hat bei der Strafzumessung u.a. berücksichtigt, dass die Tat mit über sieben Jahren sehr lange zurückliegt, der Angeklagte nicht vorbestraft ist, lediglich für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum Teil der Gruppierung gewesen war und durch seine Angaben im Ermittlungsverfahren selbst zu seiner Überführung beigetragen hat; andererseits handelte es sich bei der JAMWA um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung.

 

Angesichts der für den Angeklagten günstigen Sozialprognose und dem nach Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten vom Senat bejahten Vorliegen besonderer Umstände konnte die Vollstreckung der festgesetzten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Senat ist von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgegangen; deshalb gilt ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt.

 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten ebenso wie der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

 

 

Aktenzeichen

 

6-32 OJs 11/16 – Oberlandesgericht Stuttgart

32 OJs 11/16 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart

 


 

Relevante Normen (Auszug):

 

§ 129a Abs. 1 und Abs. 5 StGB – Bildung terroristischer Vereinigungen:

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.     Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

2.     Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. …

 

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.


§ 129b Abs. 1 StGB – Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland:

Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

 

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