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OLG Stuttgart verurteilt die Volkswagen AG wegen Kfz-Verkäufen in den Jahren 2013 und 2015 zu Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung

Datum: 28.11.2019

Kurzbeschreibung: 

OLG Stuttgart verurteilt die Volkswagen AG wegen Kfz-Verkäufen in den Jahren 2013 und 2015 zu Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit drei in dieser Woche verkündeten Urteilen des 10., des 12. und des 14. Zivilsenates die Volkswagen AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fahrzeugen mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 zur Rücknahme der Fahrzeuge und zur Rückzahlung der Kaufpreise abzüglich einer Nutzungsentschädigung verurteilt.

Dem liegt zugrunde, dass die jeweiligen Kläger die Fahrzeuge, einen VW Passat, einen VW Amarok und einen VW EOS, in den Jahren 2013 und 2015 erworben hatten. In allen Fahrzeugen war eine sog. Umschalt-Software verbaut, die erkennen konnte, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befand und in diesem Fall die Abgasrückführungsrate mit der Folge geringeren Stickoxidausstoßes erhöhte. Alle Kläger machten wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung ihrer Fahrzeuge Schadensersatzansprüche geltend.

In zwei der genannten Fälle hatten die Landgerichte Ellwangen und Heilbronn den Klagen überwiegend stattgegeben, im dritten Fall hatte das Landgericht Rottweil erstinstanzlich die Klage abgewiesen. Die unterlegenen Parteien haben jeweils die Berufung eingelegt.

In allen drei Fällen gelangten die Zivilsenate zu der Überzeugung, dass die Beklagte den Käufern einen Schaden in Form eines nachteiligen Vertragsschlusses zugefügt hätten, indem sie die Fahrzeuge in Verkehr gebracht hätten, obwohl die Typgenehmigung und Betriebszulassung unter heimlicher Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erlangt worden sei und damit die Entziehung der Betriebszulassung gedroht habe. Dies gelte nicht nur beim Neuwagenkauf, sondern auch bei Käufern, die wie im vom 10. Zivilsenat entschiedenen Fall das Fahrzeug gebraucht von einem Dritten erworben haben.

Das Verhalten der Volkswagen AG verstoße gegen die guten Sitten. Maßgebliche Gründe für die Annahme der Sittenwidrigkeit seien, dass die Beklagte in einer außerordentlich großen Zahl von Fällen bewusst die illegale Abschalteinrichtung in ihre Fahrzeuge verbaut habe. Dabei habe sie mit hoher krimineller Energie die staatlichen Behörden systematisch getäuscht und zu Werkzeugen gemacht, indem sie diese zur Ausstellung scheinbar rechtsgültiger Zulassungsbescheinigungen veranlasst habe, um auf diese Weise massenhaft Fahrzeugkäufer täuschen zu können. Dabei habe sich die Volkswagen AG allein aus wirtschaftlichen Erwägungen über die Belange des Umweltschutzes hinweggesetzt.

Die Beklagte müsse sich auch das vorsätzliche Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter gemäß § 31 BGB zurechnen lassen. Der Vertreterbegriff sei weit auszulegen, um zu verhindern, dass sich insbesondere Großunternehmen allein aufgrund ihrer Größe und durch ihre arbeitsteilige Organisationsstruktur einer Haftung für schuldhaftes Verhalten ihrer Mitarbeiter ohne Weiteres entziehen könnten. Daher spreche eine Vermutung dafür, dass die Entscheidung über den massenhaften Einsatz der Motorsteuerungssoftware nicht ohne Kenntnis und Billigung wenn nicht des Vorstands, so jedenfalls eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten erfolgt sei. Nach der herrschenden Meinung der Obergerichte treffe die Volkswagen AG eine sog. sekundäre Darlegungslast, dass entgegen dieser Vermutung kein Firmenvertreter Kenntnis von der Manipulationssoftware gehabt habe. Einen derartigen Vortrag, insbesondere zum Ablauf der internen Entscheidungsprozesse, habe die Beklagte nicht gehalten.

Daher könnten die jeweiligen Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung auf Schätzbasis anhand der üblichen Formel für gezogene Nutzungen (Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer/Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs) verlangen. Einen weiteren, auf § 849 BGB gestützten Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses haben die OLG- Senate jeweils abgelehnt. Da die Kläger die Fahrzeuge bis zur Rückabwicklung des Kaufvertrags hätten nutzen können, hätten sie den Kaufpreis nicht jeweils ersatzlos (und damit zu verzinsend) weggegeben.

In allen drei Fällen wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Aktenzeichen:

LG Ellwangen - 2 O 525/18 - Urteil vom 11.04.2019

OLG Stuttgart - 10 U 154/19 - Urteil vom 26.11.2019

LG Heilbronn - 6 O 475/18 - Urteil vom 05.03.2019
OLG Stuttgart - 12 U 142//19 - Urteil vom 26.11.2019

LG Rottweil - 6 O 94/18 - Urteil vom 08.05.2019
OLG Stuttgart - 14 U 89/19 - Urteil vom 28.11.2019



Relevante Vorschriften:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 31 Haftung des Vereins für Organe

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

§ 849 Verzinsung der Ersatzsumme

Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.

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