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3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt ein ehemaliges Mitglied der „LTTE“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Bewährung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

Datum: 26.11.2019

Kurzbeschreibung: 

3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilt ein ehemaliges Mitglied der „LTTE“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Bewährung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte heute am dritten Verhandlungstag unter dem Vorsitz von Dr. Hartmut Schnelle einen 38-jährigen sri-lankischen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart entsprechend zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Die „LTTE“ entstanden im Jahr 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in Sri Lanka, deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nord- und Ostteils der Insel vom singhalesisch geprägten Reststaat war. Sie verfolgten ihr Ziel eines selbständigen „Tamil Eelam" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die srilankischen Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel Jaffna weite Teile der Nord und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie erhoben auch einen Alleinvertretungsanspruch für alle Tamilen weltweit. Militärisch verfügten die „LTTE“ über Infanterieeinheiten sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote und Flugzeuge. Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit („Black Tigers"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschlage auf zivile Ziele waren. Ihren auf insgesamt mehr als 200 geschätzten Selbstmordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei Madras der indische Premierminister Rajiv Ghandi und am 1. Mai 1993 in Colombo der sri-lankische Staatspräsident Ranasinghe Premadasa zum Opfer. Im Guerillakampf mit einem abtrünnigen Kommandeur verloren die „LTTE“ ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der Armee in Sri Lanka ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam.

Der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen des Senats bereits im Alter von 16 Jahren der „ausländischen terroristischen Vereinigung „Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)“ LTTE“ angeschlossen. Er kam zunächst in ein Sammellager der Vereinigung zu einem sechsmonatigen Waffentraining, wo er an einer Kalaschnikow ausgebildet wurde sowie ideologische Schulungen absolvierte. In der Folge war er als Fahrer im Bereich Logistik der Finanzabteilung der „LTTE“ bis 2002 unter anderem für die Verteilung von Lebensmitteln in den Kampfgebieten im Bereich Jaffna zuständig. Teilweise transportierte er auch verletzte „LTTE-Kämpfer“. Eine Strafbarkeit nach § 129b StGB kommt zeitlich allerdings erst ab 30. August 2002 in Betracht, weil die Norm erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist.

Der Angeklagte hat sich im strafrechtlich relevanten Zeitraum ab 30. August 2002 bis 2009 in Sri Lanka weiter für die Vereinigung betätigt. Er hat u. a. Lebensmittel wie z. B. Linsen und Dosenfische, die ihm von Großhändlern gebracht wurden, mit LKW für die Organisation verteilt. Schließlich verantwortete er die Einheit für Lebensmittelangelegenheiten, wobei ihm neben zwei Soldaten auch etwa 200 zivile Mitarbeiter unterstellt gewesen sind. Ab dem Jahr 2007 musste er zunehmend am Bunkerbau für die „LTTE“ teilnehmen. Im März 2007 wurde er bei einem Granatenangriff am rechten Oberschenkel verletzt. Wenn die Kämpfe abgeflaut waren, betrieb er das Lebensmittelgeschäft für die „LTTE“ weiter. Dabei wurde er im Februar 2009 bei einem Überraschungsangriff der sri-lankischen Armee von einer Granate getroffen und am Rücken so schwer verletzt, dass er seiner Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte und seine Tätigkeit für die „LTTE“ im März 2009 beendete. Der Angeklagte begab sich bei Kriegsende im Mai 2009 auf von Regierungstruppen kontrolliertes Gebiet und wurde in einem Flüchtlingslager untergebracht, aus dem er schließlich nach Katar floh. Seit Sommer 2014 lebt der Angeklagte in der Bundesrepublik Deutschland.

Zu seinen Gunsten wertete der Senat u. a., dass sich der Angeklagte voll umfänglich geständig eingelassen hat und dass er in Deutschland bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Außerdem wurde strafmildernd berücksichtigt, dass er vor seiner Flucht nach Deutschland in Sri Lanka schwer gefoltert wurde. Die Vollstreckung der Strafe konnte der Senat zur Bewährung aussetzten, da zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Aktenzeichen

3 – 33 OJs 61/17 – Oberlandesgericht Stuttgart

33 OJs 61/17 – Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart

Relevante Normen (Auszug):

Strafgesetzbuch (StGB)

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen

Abs. 1: Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

§ 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung

Abs.1: Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

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